Eine Person sitzt grübelnd an einem Tisch über Papieren.

Die beste Bezahlkarte ist das Bankkonto

Kritik der Freien Wohlfahrtspflege NRW: Teilhabe statt Teuer

Bund und Land wollen für Menschen, die einen Asylantrag in Nordrhein-Westfalen stellen, eine Bezahlkarte einführen. Die Einführung der Sonderkarte würde Teilhabe und Integration verhindern, ist teuer und erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand – so die Einschätzung der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW, der auch der Paritätische NRW angehört. Eine bessere Lösung mit weniger Bürokratie und einfacher Handhabung bietet das Bankkonto – die beste Bezahlkarte. Bereits jetzt überweisen Sozialämter vieler Kommunen in NRW die Leistungen per Kontoüberweisung an die Empfänger*innen. Die Einführung einer Bezahlkarte erhöht den Verwaltungsaufwand, statt ihn zu verringern.

Lösung per Banküberweisung hat sich bewährt

Michael Mommer von der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen appelliert: „Wenn es bei der Bezahlkarte um eine Entlastung der Kommunen und Verwaltungsvereinfachung geht, brauchen wir sie in NRW nicht. Die bestehende Lösung per Banküberweisung hat sich bewährt. Hier wird eine Scheinlösung für ein Scheinproblem diskutiert.“

Planungen verstärkt Diskriminierung und Entmündigung

Wir appellieren an die Landesregierung, die Ausgestaltung genau zu prüfen. Aktuell sind die Beschränkung der Bargeldabhebungen oder der Ausschluss von Überweisungen geplant. Das entmündigt und verhindert eine sparsame Lebensgestaltung. Die Bezahlkarte verletzt Grundrechte, wie das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, und ist damit in ihrer Konzeption diskriminierend.

In vielen Fällen ist die Bezahlkarte nicht einsetzbar

„Auf Flohmärkten können Geflüchtete damit nicht mehr günstig einkaufen, Kinder brauchen auf Schulausflügen Kleinstbeträge in bar, Jugendliche können keinem Sportverein beitreten, da sie die Mitgliedsbeiträge nicht überweisen können. Eine Rechtsanwältin, Handyverträge oder das Deutschlandticket können die Menschen so nicht bezahlen“ betont Mommer.

Einheitliche Ausgestaltung in allen Kommunen notwendig

Die Bezahlkarte sollte, wenn überhaupt, nur in Aufnahmeeinrichtungen des Landes eingesetzt werden, bis ein Bankkonto eröffnet werden kann. Dies setzt eine diskriminierungsfreie und einheitliche Ausgestaltung voraus. Die Karte muss einsetzbar sein wie alle anderen Debit- bzw. EC-Karten, in allen Geschäften, für jede Dienstleistung und eine freie Verfügung über Bargeld ermöglichen. Sollten Bezahlkarten in den Kommunen tatsächlich eingeführt werden, sind Vorgaben durch die Landesregierung unerlässlich, damit kein Flickenteppich entsteht. Es sollte nicht jede Kommune für sich die Details zur Einführung der Bezahlkarte entwickeln.

Keine Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes

Aktuell wird im Bund die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG)
 diskutiert. Schon jetzt kann die Bezahlkarte ohne weitere Änderungen im AsylbLG eingeführt werden. Wir lehnen die geplanten bundesgesetzlichen Änderungen ab, weil sie Restriktionen verschärfen und die Karte auf Bezieherinnen und Bezieher von Analogleistungen nach 36 Monaten Aufenthalt ausweiten würden. Das unterläuft den Vorrang von Geldleistungen im Sozialleistungsrecht.

Menschenwürdiges Existenzminimum muss gewährleistet werden

Das Grundgesetz gewährt allen Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Aufenthaltsstatus. Politisch begründete Leistungskürzungen, beispielsweise um Schutzsuchende abzuschrecken, sind nicht zulässig – und sind auf Dauer gesamtgesellschaftlich viel teurer. Viele der Menschen bleiben: Die Ausgrenzung der ersten Jahre ist finanziell und gesellschaftlich nur schwer zu heilen und erschwert die Integration.
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW appelliert an die Entscheidungsträger: Das Bankkonto ist die beste Bezahlkarte. Damit sind Menschenwürde, soziale Teilhabe und Verwaltungsvereinfachung sichergestellt. In der Diskussion um die Bezahlkarte wünschen wir uns mehr Sachlichkeit, Würdigung der Grundrechte und Solidarität.

Positionierung des Paritätischen Gesamtverbandes

Der Paritätische Gesamtverband hat sich in einer Pressemeldung ebenfalls zu diesem Thema positioniert.


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